45 Jahre Steinberger Volkslauf – eine stolze Geschichte

Aufgrund der Covid-19 Pandemie ist das Jahr 2020 bislang ein schwarzes Jahr für den Laufsport. Es mussten leider schon zahlreiche Events abgesagt werden, so auch der Steinberger Wald- und Volkslauf. Es hätte die 45. Auflage sein sollen. Aus diesem Grund dachte sich der SC Steinberg: Wenn man schon nicht den Volkslauf wie gewöhnlich durchführen kann, dann kann man zumindest allen Fans und Läufern einen Ersatz in Form eines Berichtes bieten, welcher auf die Geschichte und Entwicklung der Veranstaltung Fokus legt.

Es begann Alles im Jahre 1976. Die komplette Gemeinde Dietzenbach hatte noch keinen Lauftreff, aber es gab schon einige Menschen, die regelmäßig läuferisch unterwegs waren. Damit war klar, dass man etwas organisieren musste, um den Laufsport in der Kommune voran zu bringen. Kurz darauf im Monat Mai wurde im Stadtteil Steinberg der erste Volkslauf durchgeführt. Ab jetzt konnten sich alle Laufinteressierten über eine 5,8-km Strecke messen. Gestartet wurde damals am Gelände der Otto-Lehr-Sportanlage, und die Strecke führte durch das heutige Gewerbegebiet. Auch wenn es nur wenige ehrenamtliche Helfer für etwa 50 Teilnehmer gab, war die sportliche Atmosphäre ein Erfolg, also wurde daraufhin beschlossen, den Volkslauf in Zukunft jedes Jahr zu organisieren.

Zwei Jahre später erkannte der damalige Organisator Adam Coppik, dass es doch für die Läufer viel attraktiver ist, wenn man den Lauf im Wald veranstaltet, sodass der Start an den Waldrand hinter der Heinrich-Mann-Schule verlegt wurde. Seitdem wurde der Volkslauf zum Waldlauf, aber man erkannte, dass es noch mehr Potenzial gibt, wenn man einen Event für Familien daraus machen kann. Deswegen wurden 1979 noch ein Jugendlauf über 3,4 km und zwei Schülerläufe über 1000m und 500m angeboten. Wie es sich herausstellte, war das die richtige Entscheidung, da sich das Teilnehmerfeld verdoppelte. Zudem war in dem Jahr das erste Mal Dietzenbacher Prominenz dabei, denn der damalige Bürgermeister (Dr. Friedrich Keller) stand persönlich am Start und lief mit.

Die Strecken wurden im Jahr 1980 alle erweitert, sodass die Ambitionierten fortan 8 km laufen durften. Für Einsteiger gab es jetzt einen 4,25 km Lauf und die Schülerläufe betrugen 1400m und 700m. Hin und wieder gab es mal neue Streckenrekorde, aber ansonsten gab es keine weitere nennenswerte Änderungen in den 1980ern.

Zunächst blieb der Volkslauf noch ein lokaler Event, da etwa 90% der Teilnehmer Dietzenbacher waren. Dieses änderte sich sich in den Neunziger Jahren. Die erste Veränderung kam im Jahre 1990, als Adam Coppik die Streckenlängen auf 10 km und 5 km anpasste, da man für die Popularität der Veranstaltung eher „normale“ Distanzen braucht. Dementsprechend kamen auch mehr Menschen aus anderen Städten nach Steinberg, was den Lauf regional etwas bekannter machte. Dies hatte aber zur Folge, dass der Waldrand für den Start etwas zu eng wurde. Also wurde die Startlinie kurzerhand auf die Etruskerstraße verlegt, um auf den ersten 200 Metern mehr Platz zu schaffen und die Engstelle am Waldeingang zu entzerren.

Ein Jahr später trat Adam Coppik zurück und Otto Kennel wurde zum neuen Hauptorganisator. Er brachte den Event gut voran, da die Teilnehmerzahl während den 1990ern immer weiter wachsen konnte. Aus diesem Grund wurden mehr Helfer benötigt, sodass auch die Anzahl an Ehrenamtlichen stieg. Fast alle Helfer waren aktive Mitglieder in der Langlaufabteilung vom SC Steinberg, also wurde der Event manchmal als „Ein Lauf von Läufern für Läufer“ beschrieben. Zu dieser Zeit bekamen auch die Schüler mehr Konkurrenz, denn alle Altersklassen wurden in einen einheitlichen 2,2-km Lauf zusammengewürfelt.

Passend zu den technischen Entwicklungen im 21. Jahrhundert, dem sog. Digitalen Zeitalter, wurde im Jahr 2000 das Zeitmessungssystem modernisiert. Ab jetzt konnten die Ergebnisse mit einem Computer erfasst und ausgewertet werden, während es vorher nur handgestoppte Zeiten gab. Doch der größte Verdienst in der Ära von Otto Kennel kam zwei Jahre später, als er den Volkslauf in den Main-Lauf-Cup (die beliebteste Laufserie in Hessen) bringen konnte. Damit wurde der Steinberger Volkslauf über Nacht zu einen der populärsten Läufe in der ganzen Region.

Noch im selben Jahrzehnt übernahm Ingrid Keim die Organisation. Ihre größte Errungenschaft war die Einführung eines Halbmarathons im Jahr 2006. Dies brachte das doppelte Teilnehmerfeld bei den Erwachsenen nach Steinberg, also musste erneut umgedacht werden, da das Startfeld wieder etwas enger wurde. Auch der Schülerlauf hatte enormen Zuwachs, da die beiden rivalisierenden Dietzenbacher Gesamtschulen jeweils den neu eingeführten Preis für das teilnehmerstärkste Team haben wollte. Aus diesem Grund betraf die neue Lösung für das Auflockern des Feldes jetzt sowohl Erwachsene, als auch Schüler. Es wurden zwei verschiedene Starts durchgeführt. Während es bei den Erwachsenen nach Tempo aufgeteilt wurde, ließ man bei den Schülern beide Geschlechter getrennt starten. Zusätzlich wurde in dem Jahr das Walking eingeführt, welches 2012 wieder aus dem Programm gestrichen wurde.

Da die Lehrer der Dietzenbacher Schulen in den nächsten Jahren einen anderen Fokus hatten, gingen die Schülerzahlen wieder beim Steinberger Volkslauf zurück. Andererseits gab es 2010 auch eine Reform im Main-Lauf-Cup, die mehr Erwachsene wieder nach Steinberg lockte. Von den ehemals 17 Wertungsläufen durften nur noch 10 in der Wertung behalten werden. Darunter wurden der Lauf mit dem Heimspiel des Hauptsponsors Roßbacher (Rodheim) und die neun aussichtsreichsten, größten und wirtschaftlichsten Läufe ausgesucht, und Steinberg war stolz drauf, dabei zu bleiben. Diese Reform bedeutete, dass es mehr Geld für attraktive Preise gab und weniger Auswahl an Wettkämpfen, sodass nicht nur Steinberg, sondern auch alle anderen Main-Lauf-Cup Läufe mehr Starter bekamen. Aufgrund der großen Teilnehmerzahlen, war der Kultstatus gesichert, sodass man 2011 die Dietzenbacher Stadtmeisterschaft an den neuen Dietzenbacher Stadtlauf abgab, damit man diesem auch eine Entwicklungschance geben konnte.

Im Jahr 2012 hatte der Steinberger Volkslauf sogar schon so einen guten Ruf, dass ein ganzer Reisebus vom LT Phoenix Dudweiler den weiten Weg aus dem Saarland angefahren kam, um mit 32 Teilnehmern in Steinberg antreten zu konnten. Doch ein Jahr zuvor wurde der Rekord für die weiteste Anreise eines Athleten gebrochen. Ein Tourist aus Ohio in den USA entschied sich während seines Aufenthaltes in Deutschland in Steinberg zu laufen und belegte sogar den dritten Platz im Halbmarathon.

Abgesehen vom weitesten Anreiseweg wurden in dem Jahrzehnt noch weitere Rekorde gebrochen. Als Main-Lauf-Cup Veranstaltung ist der Ruf einfach so groß, dass auch vereinzelte Profis den Volkslauf als einen Testlauf nutzen. So kam 2013 Sören Kah aus Rheinland-Pfalz und zerschmetterte den alten 10-km Streckenrekord um 1:18 Minuten und verbesserte ihn auf 30:40 Minuten. Auch 2017 kam Tilahun Babsa, ein äthiopischer Flüchtling, der schon in seiner alten Heimat Träume einer großen Karriere hatte. Er stellte den alten Rekord der Halbmarathonstrecke um fast fünf Minuten in den Schatten und hält ihn bis heute mit 1:08:04 Stunden. Die schnellsten Frauen waren 2012 Kerstin Bertsch (36:38 Minuten) und 2013 Nicole Leder (1:27:48 Stunden). Den Rekord für die meisten Titel in einer Reihe hält bis heute Steffen Kothe, der den Halbmarathon von 2010 bis 2013 vier mal in Folge gewann.

Auch neue Programmpunkte wurden in den Volkslauf integriert. Seit 2016 wurde an einem strategischen Punkt (ca. bei Kilometer 8 der 10-km-Strecke, bzw 18,5 des Halbmarathons) eine Sambagruppe platziert. Durch den schönen rhythmischen Klang der Trommeln werden die Läufer seitdem motiviert, das Tempo zu halten, wenn die Beine schwer werden. Zwei Jahre später wurde ein Aufwärmangebot ins Leben gerufen.

2019 war die lange und von Erfolg gekrönte Ära Ingrid Keim vorbei, aber Erich Storz wurde ihr Nachfolger. Seine größte Veränderung bei der Planung und Durchführung der 44. Auflage war ein neues, professionelles Zeitmesssystem einzuführen. Er entschied sich mit Absprache des Vorsitzenden Uwe Glaum auch für eine Aufteilung der Erwachsenenstarts nach Distanz und nicht wie bisher nach Geschwindigkeit.

Der große Rückgang bei den Schülerläufen wurde erfreulicherweise inzwischen wieder etwas kompensiert. Seitdem die Schulen nicht mehr dabei sind, hat es ein paar Jahre gedauert um den Ruf der Jugend wieder herzustellen. Hauptgrund für einen populären Schülerlauf ist, dass es inzwischen mehr Qualität als Quantität gibt und deswegen mehr Schüler aus Sportvereinen wieder motiviert kommen. Des Weiteren wurden die Altersklassen der U14 und U16 passend zu der allgemeinen Entwicklung im Laufsport auf die 5-km-Distanz geschickt. Außerdem wurde der Schülerlauf für die Altersklassen U10 und U12 auf 2 km begradigt, damit sie eine offizielle DLV-Distanz laufen können. Und nicht zuletzt kommen jetzt auch noch die ganz Kleinen auf ihre Kosten. Im Jahre 2019 wurde erstmals ein Bambinilauf durchgeführt, bei dem die Kinder verkleideten Tieren hinterher laufen. Mit 35 Teilnehmern bei der Premiere war der Bambinilauf auf Anhieb ein Erfolg, und auch die anderen Änderungen wurden sehr gut angenommen. Bei 846 Teilnehmern bei der 44. Auflage ist das erste Mal seit langem wieder der Teilnehmerrekord aus dem Jahr 2013 (854) stark am wackeln.

Beliebt ist der Volkslauf nicht nur durch den Main-Lauf-Cup geworden. Alle ehrenamtlichen Helfer wissen als erfahrene Läufer, worauf Läufer in der Regel achten und was sie erwarten. Mit einem großen gemeinschaftlichen Zusammenhalt engagieren sie sich mit Herzblut und sichern somit ein familiäres Erlebnis. Die Streckenposten feuern jeden an, die Parkplatzeinweiser geben gute Signale und die Siegerehrung verläuft kurzweilig. Für viele Sportler ist jedoch die wichtigste Attraktion das legendäre Kuchenbuffet, welches inzwischen regionale Bekanntheit in der Läuferszene bekommen hat. Der Einzige, der nicht immer sein Bestes gibt ist der Wettergott, der zum Beispiel 2010 den Event im Regen untergehen lassen und 2017 eine unmenschliche Hitze verursacht hat. Aber da sowieso niemals bei irgendeiner Veranstaltung alles zu 100% so läuft, wie man will, nimmt der SC Steinberg das in Kauf.

Wie sich der Volkslauf unter Erich Storz entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Aber was man definitiv sagen kann, ist, dass Steinberg in den nächsten Jahren immer groß aber familiär, traditionsreich aber innovativ, bestens strukturiert aber ehrenamtlich bleiben wird. Auf diese gute Mischung kommt es an, damit sich die Läufer immer wohl fühlen.

Hier noch zwei Bilder, welche die Entwicklung des Events zeigen: Bild 1 (oben) ist der Start des Schülerlaufs im Jahr 1980 und Bild 2 ist der Start des 10 km Laufs im Jahr 2019